Arm mit Blutdruckmanschette und Messgerät

Bei Bluthochdruck werden Betablocker oft zu schnell verschrieben

von Klaus Bernhardt

Die Macht der Psyche zu unterschätzen und psychosomatische Erkrankungen so zu behandeln, als wären es echte körperliche Beschwerden, ist leider ein häufig gemachter Fehler. Es lassen sich heute tatsächlich wesentlich mehr Krankheitsbilder auf psychische Ursachen zurückführen, als man das lange Zeit vermutet hatte. Viele unserer Patienten klagen zum Beispiel über zu hohen Blutdruck, auch Hypertonie genannt. Etliche messen mehrmals täglich und nicht wenige nehmen seit Jahren Betablocker oder andere blutdrucksenkende Medikamente ein, um einen vermeintlich zu hohen Blutdruck zu reduzieren.

Dabei ist heute eindeutig erwiesen, dass es schon reichen kann, Angst davor zu haben, dass man einen zu hohen Blutdruck zu hat, um diesen in die Höhe schnellen zu lassen. Dieses Phänomen ist in der Medizin mittlerweile gut erforscht und heißt Weißkittelhypertonie oder auch Weißkittelsyndrom. So benannt, weil alleine der Anblick eines weißen Arztkittels bei vielen Menschen genügt, um den Blutdruck in die Höhe zu treiben. Einen ähnlichen Effekt kann man aber auch oft bei Menschen beobachten, die sich zu Hause selbst das Blutdruck-Messgerät anlegen und dann Angst vor dem Ergebnis haben.

Blutdrucksenker nur bei dauerhaft erhöhtem Blutdruck ratsam

Wir raten unseren Patienten grundsätzlich zuerst eine Langzeit-Blutdruckmessung über 24 Stunden machen zu lassen, bevor sie damit anfangen, Blutdrucksenker einzunehmen. Sind die Messergebnisse dann überwiegend im grünen Bereich, sollten Sie mit Ihrem Hausarzt ernsthaft darüber sprechen, ob diese Medikamente wirklich notwendig sind. Denn wenn Sie über Jahre hinweg grundlos Betablocker, ACE-Hemmer oder Sartane einnehmen, weil bei Ihnen auf Grund von falschen Messergebnissen eine Hypertonie diagnostiziert wurde, kann Ihr Körper auf lange Sicht ernsthaften Schaden nehmen. Vereinzelte Phasen von Bluthochdruck, über den Tag verteilt, sind definitiv noch kein Grund, sofort medikamentös gegenzusteuern.

Hoher Blutdruck kann auch hilfreich sein

Kurzzeitiger Bluthochdruck ist meist eine ganz normale und gesunde Reaktion Ihres Körpers. Unter Stress, wozu auch Angst zählt, verbraucht Ihr Körper mehr Energie. Der Zellumsatz ist höher, so dass Sauerstoff und Nährstoffe nun schneller zu den Zellen transportiert werden müssen. Und genau diesen schnelleren Transport erledigt der Körper dadurch, dass er kurzzeitig den Blutdruck erhöht, wodurch das Blut schneller fließen kann. Sobald der Stress nachlässt, verschwindet auch der Bluthochdruck von ganz alleine, weil nun wieder ein normaler Blutdruck ausreicht, um alle weiteren Aufgaben zu erledigen. Kritisches Hinterfragen ist also oftmals angebracht, wenn allzu schnell Blutdrucksenker verschrieben werden, ohne dass zuvor das soziale Umfeld und die aktuelle Lebensbelastung hinterfragt wurde.

Übrigens: An der Frage, ob Sie in letzter Zeit vermehrt unter Ängsten leiden, können Sie sehr gut erkennen, ob Ihr behandelnder Arzt wirklich alle möglichen Ursachen für eine vermeintliche Hypertonie im Blick hat. Falls nicht, sollten Sie ihn unbedingt darauf aufmerksam machen, schließlich geht es um Ihre Gesundheit.

Bluthochdruck als Zeichen einer Angsterkrankung

Wenn Bluthochdruck ursächlich durch übertriebene Ängste oder Phobien ausgelöst wurde, dann macht es wesentlich mehr Sinn, psychotherapeutisch gegen die Angststörung vorzugehen, als mit Blutdrucksenkern nur die Symptome zu unterdrücken. Einer Studie von Franziska Einsle (TU Dresden) zufolge leidet nämlich rund jeder Zehnte unter dem bereits eingangs erwähnten Weißkittelsyndrom. Neben dem plötzlich erhöhten Blutdruck, der vor allem durch die Angst vor einem womöglich schlechten Messergebnis ausgelöst wird, leiden die Betroffenen oft auch unter weiteren Symptomen wie z.B.:

  • Schweißausbrüchen
  • Kurzatmigkeit
  • Schwindel
  • Panik

Sollte eines oder sogar mehrere dieser Symptome auf auch Sie zutreffen, dann raten wir Ihnen, einmal in Betracht zu ziehen, ob auch Ihr Bluthochdruck eventuell nur die Folge einer noch unentdeckten Angststörung sein könnte. Nicht umsonst zählen alle vier genannten Symptome zu den Hauptsymptomen der meisten Angsterkrankungen.

Ältere Menschen besonders häufig vom Weißkittelsyndrom betroffen

Mehrere klinische Studien (z.B. die IDACO- und die HYVET-Studie) untersuchten in den vergangenen Jahren, inwiefern besonders ältere Patienten unter dem Weißkittelsyndrom leiden. Der Anteil der Betroffenen lag stets weit über dem angenommenen Wert, teilweise bei mehr als 50 % aller Teilnehmer. Über 80-jährige Patienten stellen somit eine besondere Risikogruppe dar. Behandelnde Ärzte sollten sich deshalb besonders viel Zeit für diese Menschen nehmen. Wenn nach einer ersten (zu hohen Messung) ein paar beruhigende Worte gewechselt worden sind, zeigt eine zweite Blutdruckmessung ein paar Minuten später oft schon ein deutlich niedrigeres Ergebnis. Da ältere Menschen ohnehin oft schon viel zu viele verschiedene Medikamente einnehmen, die sich zudem noch gegenseitig beeinflussen, ist hier jede Tablette, die Dank einer zweiten Messung weniger eingenommen werden kann, ein echter Gewinn.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Angststörungen und Bluthochdruck?

Der Zusammenhang zwischen Angststörungen und Bluthochdruck ist mittlerweile gut erforscht, wie das Deutsche Ärzteblatt  bereits 2012 berichtete. Und auch unsere Erfahrungen im Institut für moderne Psychotherapie in Berlin bestätigen, dass bei Angstpatienten überdurchschnittlich oft Bluthochdruck diagnostiziert wird. Allerdings konnten wir auch beobachten, dass viele Menschen mit einer generalisierten Angststörung, einer Agoraphobie oder auch einer Herzangstneurose, ihre Blutdruckmedikamente nach einer erfolgreichen Angsttherapie vollständig ausschleichen konnten. Durch die individuell passende Form der Psychotherapie konnte nämlich nicht nur die Angststörung überwunden werden, auch der Blutdruck normalisierte sich in vielen Fällen wieder.

Medikamentöse Behandlung von Hypertonie bei Angststörungen oft unnötig

In den allermeisten Fällen, in denen Angst der eigentliche Auslöser eines zu hohen Blutdrucks (Hypertonie) ist, ist eine Behandlung mit blutdrucksenkenden Medikamenten unnötig. Dennoch ist das Risiko für eine chronische Hypertonie deutlich erhöht, wenn man zu lange nichts gegen seine Angststörung unternimmt und zudem noch weitere Risikofaktoren hinzukommen, wie z.B.:

  • Rauchen
  • Mangelnde Bewegung
  • Übergewicht
  • Viel Stress
  • Häufiges Essen stark gesalzener Speisen
  • Regelmäßiger Alkoholkonsum

Deshalb sollten Sie neben einer für Sie geeigneten Form der Psychotherapie möglichst auch diese Risikofaktoren vermeiden so gut es geht.

Mit der richtigen Psychotherapie nicht nur Ängste sondern auch Bluthochdruck loswerden

Nicht jede Form der Psychotherapie passt für jeden. Gerade Menschen, die schon negative Erfahrungen diesbezüglich gemacht haben, scheuen sich oft, neue Wege zu gehen. Das ist nur allzu verständlich, zumal viele der hierzulande angebotenen Therapien mittlerweile veraltet sind.

Gerade wenn man sich die neusten Erkenntnisse der Hirnforschung ansieht, stellt man fest, dass selbst langjährige Angsterkrankungen oft in nur wenigen Wochen überwunden werden könnten, wenn man die Neuroplastizität des Gehirns angemessen berücksichtigen würde. Unter Neuroplastizität versteht man die Fähigkeit des Gehirns, sich bis ins hohe Alter neu zu vernetzen und somit den neuronalen Zugang zur Angst regelrecht auszuschalten. Dies gelingt jedoch weder mit langen psychotherapeutischen Gruppensitzungen, noch durch permanentes Graben in der Kindheit und schon gar nicht durch die Gabe von Psychopharmaka oder die oft äußerst unangenehme Konfrontationstherapie.

Im Institut für moderne Psychotherapie in Berlin steht die strukturelle Neuvernetzung des Gehirns im Mittelpunkt unserer therapeutischen Arbeit. Mit ganz einfachen Techniken, die jeder selbst zu Hause anwenden kann, nutzen wir die Neuroplastizität des Gehirns, um Ängste und somit auch den daraus resultierenden Bluthochdruck binnen weniger Wochen soweit zu reduzieren, dass auf Medikamente in den allermeisten Fällen dauerhaft verzichtet werden kann. Wer sich näher über die Arbeit unseres Instituts informieren möchte, dem empfehle ich das Buch „Panikattacken und andere Angststörungen loswerden“. Mit Hilfe der darin beschriebenen Techniken haben es schon viele ehemalige Angstpatienten aus eigener Kraft geschafft, wieder ein Leben voller Freude und Leichtigkeit zu führen.